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Resilienz statt Hotel Mama



Ich habe einen Freund. Er heißt Henry, ist 34 Jahre alt und ein unglaublich umgänglicher Typ. Seine braunen Haare sind oft verwuschelt, seine braunen Augen legen sich in Lachfältchen, wenn er schmunzelt. Er verhält sich sehr angepasst, Typ “Schwiegermutters Liebling” und hat hier in Freiburg Mathematik studiert.  Doch er hasst den ganzen Prozess der Wohnungssuche. Er hat Angst vor Ablehnung, sich einem Vermieter zu präsentieren, begründet darzulegen, warum er ausgerechnet er die Wohnung erhalten möchte, oder sich vor fremden Menschen in WGs zu präsentieren und zu plaudern, sich selbst dazustellen und sich dann wiederum von ihnen bewerten zu lassen. Er möchte nicht mehr monatelang vor seinem Rechner kleben und Nachrichten schreiben und Andere davon überzeugen, dass er der Richtige ist. Henry lebt wieder bei seiner Mutter. Er hat aufgegeben. 


Und selbst, wenn ich sein Aufgeben nicht verstehen kann und will, so vermute ich, dass in jedem von uns ein Henry steckt. Jede:r von uns Wohnungssuchenden in Freiburg hätte in den letzten Jahren am liebsten aufgegeben. Sich einfach mal zurückgelehnt, das Smartphone weggeworfen und die Worte “Ich gebe auf” in den Sand gemalt. Wie viele von uns haben nicht im Geheimen gehofft, dass Mama oder Papa für einen irgendwann die Suche übernehmen. 


Wohnungssuche in Freiburg verlangt eine ganz besondere Eigenschaft: Hartnäckigkeit. Einen starken Willen. Und der unbedingte Glaube an sich selbst. Man muss sich verinnerlichen, dass man es wert ist, ein Zuhause zu finden. Wenn du wohnungssuchend in Freiburg bist, dann bedeutet dies, eine ganz besondere Persönlichkeitskompetenz zu erlangen: Resilienz. Resilienz zu erlangen, heißt sich schneller nach Rückschlägen erholen zu können. Die Wohnungssuche bedeutet eine einzigartige Möglichkeit, sich dem Gefühl von Ablehnung zu stellen, etwas, was wir im Alltag psychologisch zu vermeiden versuchen. Doch was dich nicht umhaut, macht dich noch stärker. In Freiburg zu wohnen, bedeutet: Erwachsen zu werden. Es bedeutet zu weinen und auf das Kissen zu hauen und sich alleine zu fühlen und doch nicht aufzugeben. Den Bildschirm anzustarren, auf die Tastatur auf seinem Smartphone zu hacken und noch eine Bewerbung zu schreiben. Und noch eine. Und noch eine. Eine passende Wohnung für unsere Lebensumstände zu finden, ist der ultimative seelische Test für uns alle und wir alle müssen ausnahmslos zu dieser Prüfung.


Denn wenn wir uns von der Wohnungssuche nicht entmutigen lassen, erwerben wir eine Widerstandsfähigkeit, die uns erlaubt, auch in anderen Stresssituationen gelassener zu reagieren. Insofern besteht Freiburg nur aus mutigen Menschen.


Und du bist nicht alleine. Ich glaube an dich. 


Wenn ich Oberbürgermeisterin wäre, würde ich folgende Maßnahme einrichten:


“Bewerbungsbuddies Freiburg”

Kaffeetrinken und gemeinsam Anschreiben verfassen!

Eine Community für alle Menschen, die auf Wohnungssuche sind


Zusammen ist man weniger allein: Für alle Wohnungssuchenden in Freiburg wird es eine Anlaufstelle namens “Bewerbungsbuddies Freiburg”, eine Gruppe, wo man andere Menschen trifft, die auch auf Wohnungssuche sind. Damit schlägt man zwei Fliegen in eine Klappe: Wenn man neu in Freiburg ist, kann man so schon einmal Kontakte und Freundschaften knüpfen. Und es gibt einen klaren Zeitrahmen zum Bewerbungen schreiben von 16 bis 18 Uhr. So prokrastiniert man nicht alleine in seiner temporären Unterkunft herum und kann sich in der schwierigen emotionalen Situation der Bewerbungsphase gegenseitig Unterstützung geben. Bei den Bewerbungsbuddies trifft sich hier in einer lockeren Atmosphäre im Café, lacht und schwatzt zusammen und tippt auf seinem mobilen Endgerät seine Bewerbungen. Jede:r darf mitmachen. Eine Mitarbeiterin vom “Amt für Liegenschaften und Wohnungswesen” kann diese zwei Stunden am Tag im Café präsent sein und motivierende Fragen zur Wohnungssuche beantworten.


Verwaltungsaufwand: 40 h im Monat, Personalkosten (mittlerer Dienst) 2680 € pro Monat, Deckung vom laufenden Haushalt des Amts für Liegenschaften und Wohnungswesen, da repetitive Arbeitsvorgänge durch KI-basierte Prozesse ersetzt worden sind und das Personal sich wieder mehr um Menschen kümmern kann. 

 
 
 

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